Denken in entscheidenden Situationen
„Denken ist wichtig.“ wird häufig gesagt.
Was hinter dieser, auf unserer Hirntätigkeit basierenden Kompetenz steckt, ist noch nicht komplett erforscht.
Dass beim Denken im Rahmen des Treffens von Entscheidungen Einiges schief gehen kann, zeigt sich insbesondere beim Verhalten von Anlegern an der Börse.
Als Ende der 90er Jahre das Thema Aktie in Deutschland populär wurde – Manfred Krug machte Werbung für die Telekom-Aktie – wurde auch das Thema Denken intensiv diskutiert. Damals ging es darum, wie Aktienanleger denken und warum sie Aktien kaufen, verkaufen und warum sie sich in Situationen zu spät von Aktien wieder trennen.
Wer es genau wissen wollte, griff schon damals auf Bücher zurück, die von dem Kognitions-Psychologen Daniel Kahneman geschrieben wurden – zum Beispiel das von ihm gemeinsam mit Amos Tversky und Paul Slovic veröffentlichte Werk Judgement under Uncertainty: Heuristics and Biases. Dabei handelte es sich um ein ausgesprochenes Fachbuch, das bei Laien wenig bekannt sein dürfte.
Die Telekom-Aktie hat sich als Flop erwiesen und bei vielen Investoren erhebliche Verluste verursacht. Wer damals bei Kahneman nachgelesen hätte, wäre durch besseres Denken wahrscheinlich von Schaden frei geblieben.
Klimawandel erfordert gut überlegte Entscheidungen.
Im Augenblick steht zwar kein weiterer Börsenboom an. Aber dennoch befinden wir uns in einer Situation, in der Denkkompetenz im Zusammenhang von Entscheidungen wichtig ist. Es geht um die Umwelt und um das richtige Handeln zur Verhinderung von Katastrophen durch den drohenden Klima-Wandel.
Passend, dass Daniel Kahneman ein gut verständliches Buch mit langjähriger Verkaufswirkung geschrieben hat: Schnelles Denken – langsames Denken (englisch: Thinking, Fast and Slow) – auf das wir in unserer prekären Situation zurückgreifen können.
Und: Es gibt noch mehr Denkunterstützung. Es treten deutsche Intellektuelle auf, die sich publikumsträchtig mit dem Thema Denkkompetenz beschäftigen: Ein Bekannter aus der Öko-Szene empfahl mir das Buch „Selbst Denken“ von Harald Welzers, ein Buchautor, der sich als Soziologe und Sozialpsychologe positioniert.
Durch meine aktuelle Lektüre von Kahnemans Bestseller angeregt, entschied ich mich, der Empfehlung zu folgen, kaufte das Buch und begann in der Hoffnung zu lesen, etwas über richtiges Denken zur Verhinderung von Umweltkatastrophen zu lernen.
Das „Welzer’sche Doofen-Theorem“
Allerdings: Ernsthafte Zweifel an der Begründetheit dieser Hoffnung kamen mir bei der Lektüre des Hardcovers spätestens auf Seite 223, wo Autor Harald Welzer zum ersten und einzigen Mal in seinem Werk so etwas wie eine formal strukturierte Theorie formuliert – das „Welzer’sche Doofen-Theorem“. Das geht ungefähr so:
Jede gesellschaftliche Untergruppe ist, was die Denk-Möglichkeiten ihrer Mitglieder angeht, folgendermaßen strukturiert:
20 % sind nicht-doof („intelligent“)
40 % sind halb-doof („durchschnittlich“)
40 % sind ganz-doof
Welzer: „Unter Professoren gibt es genauso viele dumme Menschen wie unter Polizisten, Putzfrauen oder Polsterern, und umgekehrt.“ – Neckisch diese Alliteration auf „P“ – da weiß jeder sofort, dass Welzer diese Textpassage effektvoll bei öffentlichen Lesungen einzusetzen plant.
Lacher sind hier vorprogrammiert.
Mir ist allerdings das Grinsen gefroren, als ich mich fragte:
„Zu welcher dieser Gruppen gehöre ich, wenn ich dieses Buch hier bis zur letzten Seite lese?“ – Am Ende dieses Beitrags werde ich dringend eine Antwort hierauf geben.
Welzers Hirn leidet an Verschleiß.
Vorher muss ich genauer unter die Lupe nehmen, was Welzer im Weiteren über das Denken und seine Möglichkeiten schreibt.
Doch bevor jemand in diesem Zusammenhang auf falsche Gedanken kommt:
Welzers Ansatz hat mit empirisch-wissenschaftlicher Diskussion nichts gemein. Es geht ihm nicht darum – wie dies etwa bei Kahneman der Fall ist – experimentell belegte Hypothesen über das Denken zu diskutieren und daraus nützliche Denktechniken zu entwickeln. Stattdessen konfrontiert der Autor von „Selbst Denken“ seine Leser mit persönlich gefärbten Vorstellungen zu den Denk-Kompetenzen menschlicher Wesen.
Dazu ein weiterer O-Ton – diesmal von Seite 248, wo Welzer darüber grübelt, warum er sich selbst im Alter von 15 ernster genommen hat als beispielsweise im Alter von 55 – also 40 Jahre später:
„Das hat unter anderem damit zu tun, dass die Pubertät auf der Ebene der Gehirnentwicklung eine der vitalsten und reichsten Phasen darstellt: Niemals vorher und hinterher hat man ein schärferes Sensorium für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, für Wahrhaftigkeit und Lüge, für Klugheit und Dummheit. Dieses scharfe Unterscheidungsvermögen schleift sich ab, je mehr man zu wissen und zu verstehen glaubt, und im Ergebnis fühlt man sich plötzlich mit exakt dem einverstanden, was man damals richtigerweise für falsch hielt und gegen das man anzugehen bereit war.“
Man, man, man und nochmals man – dass Welzer sich angesichts einer seit Jahrzehnten äußerst befundreichen neurowissenschaftlichen Forschung traut, solche eigentümlichen Vorstellungen als ausgemachte Erkenntnisse darzustellen!
Demgegenüber können wir als wissenschaftlich belegte Tatsachen annehmen, dass sich unsere Hirne dadurch auszeichnen, dass sie „plastische“ neuronale Systeme sind – Verbindungen darin sind grundlegend flexibel und zwar lebenslang.
Anders als von Welzer behauptet, setzt das Erkennen und Beurteilen von faktischen und moralischen Tatbeständen ständiges Lernen – ständiges Neuverknüpfen von neuronalen Verbindungen im Hirn – voraus. Es ist also absurd, anzunehmen, dass Personen als Pubertierende treffend urteilen könnten und diese Kompetenz mit zunehmendem Alter durch eine Art „Hirnverschleiß“ verlören.
Welzer denkt auf höheren Ebenen.
Lohnt sich nach dieser Einsicht, noch weiter in das vorliegende Buch einzusteigen?
Machen wir einfach weiter: Jedem Denk- und Bewusstseinsprozess liegt ein paralleler Prozess im neuronalen System des menschlichen Hirns zugrunde – die Basis vom „Selbst Denken“ sind also Hirnprozesse. Mit Blick auf das vorliegende Buch muss ich feststellen, dass diese materiellen Grundlagen unseres Denkens den Autoren Harald Welzer nicht interessieren.
Dennoch – vielleicht ist an seinen Überlegungen etwas dran – möglicherweise etwas Höheres, Bedeutenderes als neurophysiologische Mechanismen, das den Leser interessieren könnte.
Gehen wir mit der Lektüre systematisch weiter:
Was ist überhaupt der Plot in Welzers Buch?
Der ist schnell umrissen:
Sein „Selbst Denken“ gliedert sich in zwei Hauptteile – Teil 1 geht von Seite 1 bis Seite 133, Teil 2 von Seite 133 bis Seite 293.
Teil 1 widmet sich der „Beschimpfung“ der Leser, Teil 2 wird deshalb eingeleitet mit den Worten „Das ist der Augenblick, an dem ich aufhören muss, Sie zu beschimpfen.“ – es beginnt die Phase der „moralischen Unterweisung“.
Worauf zielt der Autor ab?
Welzer setzt bei seiner Beschimpfungs- und Moral-Mission bei dem Faktum an, dass unsere Welt keine weiteren CO2-Emissionen mehr absorbieren kann und dass deshalb die Menschheit dringend auf weiteres expansives Wirtschaftswachstum verzichten muss. Wie Welzer es ausdrückt, es ist dringend von einer expansiven auf eine reduktive Kultur umzustellen, „vom Wachstum zur Kultivierung, vom Aufbau zum Ausbau“.
Teil 1 dient Welzer dazu, den Lesern im Detail ihre Verantwortung für die Schädigung der Umwelt sowie ihre Rolle für die möglichst effektive zukünftige Reduktion der Treibhausgasemission vor Augen zu führen.
Teil 2 dient dem Autoren dazu zu zeigen, wie die Leser durch die Schaffung eines moralischen Bewusstseins, durch „moralische Phantasie“ und durch das Nutzen von „moralischen Streckübungen“ dahin zu kommen, Wege zur CO2-Reduktion individuell zu ermitteln und zu beschreiten. Welzer möchte uns Leser ethisch verpflichten, uns ständig Gedanken darüber zu machen, ob wir nicht gerade wieder direkt oder indirekt die Luft „versauen“. Wir sollen uns in unserem Denken die Kultur der Umweltschonung als laufende Verpflichtung auferlegen und uns grundlegend emissionsverhindernd verhalten.
Welzer trinkt nicht gerne „Kraneberger“.
Das hört sich recht ehrenwert und vernünftig an. – Doch funktioniert diese Pflicht-Ethik?
Wir brauchen Welzer lediglich anhand eines seiner eigenen Beispiele „beim Wort zu nehmen“, um diese Frage zu beantworten:
Einer seiner Umwelt-Pflicht-Vordenker ist der Unternehmer Peter Kowalsky, der eine besondere Limonade, die „Bionade“ auf den Markt gebracht hatte:
„Peter Kowalsky begann, Nachhaltigkeit offensiv zu thematisieren, und es gibt kaum einen Preis mit »öko« oder »bio« im Namen, der ihm im Laufe der vergangenen Jahre nicht verliehen wurde.“ (S. 266)
Für Welzer ist das Beispiel einer Limonade also ein wichtiges Lehrstück für seine pflicht-ethische Diskussion. Dass der Autor sein eigenes Pflicht-Ethik-Konzept damit ad absurdum führt, ist offensichtlich. – Oder?
Falls doch nicht und damit ich jetzt endlich selbst denke, liste ich auf, warum das so ist:
Wenn es zukünftig darum geht, konsequent auf unnötige CO2-Emissionen zu verzichten, haben wir unser bisheriges Konsumverhalten radikal zu verändern. Statt mit dem Auto zum Supermarkt zu fahren, um kistenweise in Flaschen gezogenes Getränk zu kaufen, bleiben wir zu Hause und bedienen uns aus dem Wasserkran.
Was da heraus kommt, hat manches Mal eine höhere Qualität, als das, was in Super- und Getränkemärkten an industriell aufbereitetem H2O angeboten wird. Wenn wir dieses Industrie-H2O nicht kaufen, industriell gefertigte Erfrischungsgetränke immer weniger nachgefragt und produziert werden, entfallen CO2-Emissionen im Rahmen von Logistik, Verpackungsherstellung, Lagerung, Betreibung eines Pfand-Glasflaschen-Systems, Produktion und Recycling von Pfand-Kunststoffflaschen sowie von Kunststoff-Einwegflaschen usw. Natürlich werden dadurch noch viele weitere Ressourcen eingespart – tausende Liter von Wasser. Darüber hinaus müssen keine Reinigungs-Chemikalien verwendet werden, welche die Natur obendrein belasten.
Jemand, der eine „Bio-Limonade“ auf den Markt bringt, setzt den falschen Impuls. Denn er bringt insbesondere Konsumenten, die an biologisch-sensibler Produktion von Nahrungsmitteln und an ökologischer Nachhaltigkeit interessiert sind, dazu, etwas zu konsumieren, das ihrem eigentlichen Interesse an der Schonung der Umwelt widerspricht – sie trinken H2O mit Geschmack und Zucker, das im Vergleich zu Kranwasser über eine erbärmliche Ökobilanz verfügt.
Pflichtethiken taugen nicht zur Gestaltung einer besseren Zukunft.
Was folgt aus diesem Beispiel: Pflichtethiken wie die von Harald Welzer haben grundlegende Schwächen.
Eine davon haben wir uns gerade angesehen: Sie klären nicht deutlich genug, was richtig ist und wie wir uns in konkreten Situationen korrekt zu verhalten haben.
Diese Ethiken bewerten vor allem die Gesinnung von Menschen – loben wie gesehen gedankenlos umweltbelastende Konsumprodukt-Ideen -, bewerten deren Ethos nicht danach, welche Konsequenzen ihr Handeln hat.
Welzer scheut sich nicht, sein Ignorieren von Handlungskonsequenzen deutlich einzugestehen. Entsprechend formuliert er die Regel 10 auf der letzten Seite seines Buches (S. 293) zur Gewissenentlastung der Leser: „Sie haben keine Verantwortung für die Welt.“
Denn das Einüben der richtigen Gesinnung, die moralische „Streckung“, das ist es, worum es in „Selbst denken“ geht – nicht darum, systematisch darüber zu reflektieren, wie es uns gelingen kann, konkret an der „Formel“ für Klimagas (CO2 = P x GDP x gini x (1 – ς) x TMR) – per Klick zur Erläuterung – zu arbeiten, um CO2-Emissionen tatsächlich einzuschränken.
Fazit: Die moralische Mission des Buchs ist gescheitert.
Welzers Leser sind „viertel-doof“.
Nun komme ich noch einmal zurück auf die Frage, die ich zu Beginn gestellt habe, und damit auf Welzers „Doofen-Theorem“.
Nachdem ich Harald Welzers Buch von vorne bis hinten gelesen habe – für wen muss ich mich jetzt eigentlich halten?
Für einen der 20% Nicht-Doofen, einen der 40% Halb-Doofen oder einen 40% Ganz-Doofen?
Nach kurzer Überlegung habe ich folgende Antwort:
Gehörte ich zu den Ganz-Doofen, würde ein Titel wie „Selbst-Denken“ mich wahrscheinlich weder begeistern oder zum Lesen motivieren. Ich hätte es einfach übersehen. Hörte sich zu sehr nach Anstrengung und angesichts beschränkter Kompetenz nach höchst ungewissem Erfolg an.
Gehörte ich zu den 20 % Nicht-Doofen, hätte ich vor der Lektüre geblättert, hätte die letzte Seite gelesen und wäre auf die Regel 10 gestoßen (Sie haben keine Verantwortung für die Welt.). Ich hätte gedacht, wenn nach 293 Seiten egal ist, was ich tue, und ich keine Verantwortung übernehmen brauche, ist mir auch das Buch egal. Ich hätte es zur Seite gelegt und nicht weiter beachtet.
Ich gehöre also am ehesten zu der Restgruppe, zur Gruppe der 40 % Halb-Doofen. Das versetzt meinem Selbstwertgefühl einen gewissen Stich. Lieber hätte ich zu den oberen 20 % gehört. Mist!
Doch zwei Dinge trösten mich:
1. Meine Halb-Doofen-Gruppe ist groß. Geteilte Doofheit ist vielleicht halbe Doofheit. Da wir von Anfang an ja nur halb-doof sind, können wir uns gemeinsam zur Viertel-Doofheit aufschwingen.
2. Und wenn ich alt bin und meine Geistesstärke noch weiter abnimmt, falle ich nicht direkt aus dem System. Ich kann in die untere Liga absteigen und da einen glücklichen, unbedarften Lebensabend zusammen mit vielen anderen Doofen verbringen.
Fazit: Geisteswissenschaften ringen um ihre Vorherrschaft.
Um ein kurzes Fazit zu ziehen: Unser Ausgangspunkt war das Thema „Denken in wichtigen Entscheidungssituationen“ und die empirischen Forschungsergebnisse, die beispielsweise von Daniel Kahneman veröffentlich wurden.
Beim Lesen des Welzerschen Wälzers fiel uns auf, dass der Autor – wie er selbst sagt – zunächst den Leser von moralisch höherer Ebene aus maßregelt. Als nächstes konfrontiert er uns mit einer Umwelt-Gesinnungs-Ethik. An verschiedenen Details wurde deutlich, dass sich Welzer um empirisch-wissenschaftliche Einlösbarkeit seiner Ideen nicht schert.
Leser werden nun denken: Wie kommt so etwas zustande? Ist so ein Stück „Literatur“ nicht gänzlich „aus der Art“ geschlagen?
Die Antwort ist: Nein – die Art der Argumentation steht fest verankert im Rahmen der Autoren-Kunst im Rahmen deutschen Geisteslebens.
Was Welzer hier zelebriert, ist offenbar eine Imitation der typischen „professoralen Rede“ (1). Der deutsche Professor ist ein erster Repräsentant des deutschen Idealismus und er spricht von einer erhöhten intellektuell-moralischen Sphäre aus zu uns. Das Kriterium, das er an seine Argumentation anlegt, ist keineswegs die Relevanz für die Lösung praktischer Probleme. Es ist stattdessen die Erbauung und die moralische Unterweisung, der die Rede vorderweg zu dienen hat. Der professorale Text ist eine literarische Weihestunde, in der das Bildungs-interessierte Lesepublikum Kultur zelebriert bekommt. – Welzer durchzieht seinen Text übrigens mit Bezügen etwa auf diverse deutsche Philosophien.
Auch dass empirisch-wissenschaftliche Kriterien an Welzers Denkkonzept nicht anlegbar sind ist typisch:
Kaum in einem weiteren Kulturkreis wie dem unsrigen ist die Integration der Methoden der Naturwissenschaften auf Geisteswissenschaften so zäh bekämpft worden.
Sehr intensiv wurde der Kampf zwischen Geist und Materie insbesondere in der deutschen Soziologie austragen. Die Tatsache, dass die Soziologie und andere Sozialwissenschaften wie beispielsweise die Psychologie (tatsächlich – dies ist eine Sozialwissenschaft) empirische Wissenschaften sind, hat sich in unserem Kulturkreis noch nicht vollständig durchgesetzt (2). Die maßgebliche sozialwissenschaftliche Forschung findet vor diesem Hintergrund statt bei uns eher in angloamerikanischen Ländern statt.
Details zum Buch
Harald Welzer; Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand; März 2013; 336 Seiten, ISBN-13: 978-3100894359
Selbst Denken mit der Klima-Formel
Diese provisorische Formel für das Volumen der weltweit auftretenden CO2-Emissionen nach Bunge/Wilkinson (3) bietet eine grobe Übersicht über die Problemlage. Sie zeigt aber schon recht deutlich, welche schmerzhaften Einschnitte wir hinnehmen müssen, um das Klimagas schnellmöglich in den Griff zu bekommen:
CO2 = P x GDP x gini x (1 – ς) x TMR
Folgende Faktoren bestimmen demnach den Ausstoß von Klimagas:
P = Population – Größe der Bevölkerung
GDP = Gross domestic product – Produkte und Dienstleistungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums hergestellt werden – Indikator des Lebensstandards einer Bevölkerung
gini = Der Gini-Koeffizient – statistisches Maß für die Einkommens-Ungleichverteilung in einer Bevölkerung
ς = Spar-Rate s (savings rate) – Indikator für die Verbrauchs-Gewohnheiten einer Bevölkerung, insbesondere deren Tendenz durch sorgsamen Umgang mit Energie, dem Meiden des Einkaufs von Wegwerfartikeln, dem Meiden des Betriebs ressourcenverschwendender Vehikel (z.B. von SUVs) usw. zu sparen
TMR = Technologische Ineffizienz-Rate (total material requirement) – ein Indikator dafür wieweit beispielsweise erneuerbare Energien eingesetzt werden, um den Verbrauch fossiler Energien zu drosseln
Starten wir unser Selberdenken, indem wir folgende Fragen beantworten:
Wie erreichen wir schnellstmöglich
- eine Drosselung des Wachstums unserer Bevölkerung?
- parallel eine Drosselung des Konsums und einen Verzicht auf für das Überleben nicht notwendiger Lebensstandards?
- die Behebung der ökonomischen Ungleichheit in unseren Bevölkerungen, die mit enormen Kosten verbunden ist (Verbindung CO2-Ausstoß und Ungleichheit siehe Wilkinson 2009)?
- die Erhöhung der laufenden Einsparung von Energie und Ressourcen?
- und die Verringerung der technologischen Ineffizienz?
Anmerkungen
(1)
Eine detaillierte Analyse der Hintergründe findet sich beim Soziologen Richard Münch:
- Richard Münch, Die Kultur der Moderne, Band 2 – Ihre Entwicklung in Frankreich und Deutschland, Frankfurt am Main 1986; S. 683-846
(2)
Zum Konzept der Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft und zur Einordnung der durch den Idealismus geprägten deutschen Theoretiker findet sich eine detaillierte Analyse beim österreichischen Soziologen Max Haller:
- Max Haller, Soziologische Theorie im systematisch-kritischen Vergleich; Wiesbaden 2003 (Auflage 2).
(3)
Siehe:
- Bunge, Mario; „Climate and Logic“, in: Mario Bunge, Evaluating Philosophies; Dortrecht, Heidelberg, New York, London; 2012 (S. 57 – 59)
- Wilkinson, Richard; Kate Pickett, The Spirit Level. Why More Equal Societies Almost Do Better; London 2009
Vielen Dank für die Fotos der Fotografen und Agenturenauf Unsplash:
- Daniel Páscoa
- Ali Yahya
- Kobu Agency
- Lacey Williams
Autor: Heinz W. Droste